Tradition trifft Zukunft 
Die Handwerkskammer Flensburg feiert ihr 125-jähriges Jubiläum

„Nunmehr hat es der Handwerkerstand in der Hand, die ihm wichtig scheinende Beleuchtung über die seinen Stand betreffenden Fragen zu verbreiten; es liegt jetzt an ihm, den Willen des Handwerks zur öffentlichen Kenntnis zu bringen.“ So steht es im ersten Jahresbericht der Handwerkskammer Flensburg. Als die erste Vollversammlung am 4. April 1900 zur konstituierenden Sitzung im Rathaussaal der Stadt Flensburg zusammenkam, war allen Beteiligten klar, wie wichtig der Auftrag war, der aus dem Handwerkergesetz von 1897 hervorging und nun endlich zur Umsetzung gelangte. Ein Auftrag, der noch heute den Kern der täglichen Arbeit der Kammern bestimmt: die Förderung der Interessen des Handwerks.

Vor 125 Jahren gründeten sich in Deutschland insgesamt 71 Handwerkskammern. Heute, nach den großen Kriegen, der Gleichschaltung während des Nationalsozialismus und der Wiedervereinigung, sind es noch 53 Kammern. Nachdem bereits Handel und Industrie sowie die Landwirtschaft in Kammern organisiert waren, folgte endlich auch die übergeordnete Organisation des Handwerks, mit der „(...) in der Interessenvertretung im Staate ein Gleichgewicht geschaffen und der langjährige Wunsch der Handwerker erfüllt“ werden konnte.

Selbstverwaltung
Und das immer mit dem klaren Wunsch der Handwerksbetriebe, sich selbst in die Geschicke des eigenen Berufsstandes einbringen zu können. Das Stichwort ist Selbstverwaltung. Das Ehrenamt ist das wahre Fundament jeder Handwerkskammer und ein Beispiel gelebter Demokratie. So ist auch heute noch die gewählte Vollversammlung – bestehend aus Repräsentanten aller Gewerke des Kammerbezirks – das höchste Entscheidungsgremium. Dabei repräsentieren zwei Drittel der Mitglieder die Arbeitgeberseite und ein Drittel die Arbeitnehmerseite. Die Vollversammlung wählt ihren Vorstand und ihren Präsidenten. Der Vorstand übernimmt die strategische Führung und gestaltet die Zukunft der Handwerkskammer. Erster Präsident in Flensburg war der Tischlermeister Emil Bunzen. Heute ist es der Zimmerermeister Jörn Arp.

Zukunft gestalten
Tradition und Innovation – wie gut das zusammengeht, zeigt das Handwerk seit jeher. Ob Bäcker, Steinmetz oder Schmied, viele Berufe gibt es bereits seit Jahrhunderten, manche sogar seit der Antike. Der Mensch als „homo faber“, das ist der schaffende Mensch, der Mensch als Handwerkerin und Handwerker eben. Zukunft, und das ist längst auch in der Politik angekommen, gibt es nur mit dem Handwerk. Klimawende, Digitalisierung, Elektromobilität, Wohnungsbau – „Und wer setzt das alles um?“, fragt die Imagekampagne des Handwerks provokativ. Aber mal ehrlich: Wer setzt es denn um? Rund 5,6 Millionen Handwerkerinnen und Handwerker arbeiten täglich an der Zukunft unseres Landes mit. Ob im Zimmerer-, im Informationstechniker-, im Kraftfahrzeugtechniker-, im Installateur- und Heizungsbauer-, im Kosmetiker- oder im Friseurhandwerk – mehr als 130 Ausbildungsberufe gilt es zu entdecken. Und: Die Karriereaussichten sind besser denn je. Viele Betriebe suchen nach Nachwuchs, aber auch nach zukünftigen Nachfolgerinnen und Nachfolgern.

Das Handwerk befindet sich im Umbruch. Neue Verfahren und Technologien verändern viele Berufe und bringen neue Perspektiven mit sich. Das stimmte vor 125 Jahren und stimmt noch heute. Wagner oder Fassbinder sucht man im Kammerbezirk der Handwerkskammer Flensburg vergeblich. Dafür findet man etwas, dem vor 125 Jahren noch wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde: Frauen im Handwerk. Ob in kreativen Handwerksberufen, dem Gesundheitshandwerk oder auch in traditionell männerdominierten Gewerken – Frauen sind auf dem Vormarsch und das auch immer öfter als Chefinnen.

Rund 11.000 Betriebe zählen heute zum Kammerbezirk und prägen die Identität unserer Region. Das Handwerk, die Wirtschaftsmacht von nebenan, ist ein Wirtschaftsfaktor, mit dem man rechnen muss.

Aus der Praxis für die Praxis
Seit 125 Jahren organisiert die Handwerkskammer Flensburg die Aus- und Weiterbildung im Handwerk und sichert damit die Qualität eines Berufsstandes, der zu Recht einen angesehenen Ruf genießt. Sie berät ihre Mitgliedsbetriebe in betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Fragen, zu Weiterbildungsangeboten, Fördermöglichkeiten vielen weiteren Themen.

Und die Herausforderungen sind groß. Die schwierige Konjunktur, der Fachkräftemangel, die bürokratischen Belastungen und auch die geopolitische Situation belasten die Betriebe. Damals wie heute kommt es darauf an, mit einer Stimme zu sprechen. Die Stimme des Handwerks muss eine Stimme sein, die mit Durchhaltevermögen und Kraft nicht müde wird, für die Interessen des Handwerks einzustehen. Das wussten bereits die Gründungsmitglieder um Emil Bunzen, die auf die folgende Mahnung im ersten Jahresbericht Wert legten: „Aber er darf nicht verlangen, schon sofort den Erfolg sehen zu wollen; er darf nicht mit der einen Hand geben und mit der anderen nehmen wollen. Wir säen jetzt, und nach Verlauf einiger Jahre wird zuversichtlich dieser Samen herrliche Früchte zeitigen.“

Denn spätestens, wenn der Strom ausfällt, das Dach undicht ist, das Wasserrohr leckt, die Heizung nicht wärmt oder wenn die Kolleginnen und Kollegen sich über den aus der Mode gekommenen Topfschnitt lustig machen, ist eines klar: Ohne Handwerk geht es nicht. Was also wäre die Welt ohne das Handwerk? Kalt, dunkel und mit Sicherheit langweilig. 


Am 4. April 1900 kam die erste Vollversammlung der Handwerkskammer Flensburg im Rathaussaal der Stadt Flensburg zur konstituierenden Sitzung zusammen. Zum 125-jährigen Jubiläum der Handwerkskammer Flensburg sagt Präsident Jörn Arp:

Präsident Jörn Arp
Präsident Jörn Arp

Seit 125 Jahren spricht die Handwerkskammer Flensburg mit einer Stimme für das Handwerk in unserer Region. Unser Jubiläum erinnert uns daran, wo wir herkommen und auf welche stolze Tradition wir zurückblicken können. Jedes Haus braucht eben ein stabiles Fundament. Doch wir wollen und müssen auch in die Zukunft schauen. Die stagnierende Konjunktur, der Fachkräftemangel und die Bürokratie belasten unsere Mitgliedsbetriebe sehr. Mehr denn je kommt es darauf an, als Handwerk mit einer Stimme zu sprechen und uns gemeinsam den Aufgaben der Zukunft zu stellen. Ob in der Organisation der Aus- und Weiterbildung, der Beratung oder in der politischen Interessenvertretung – die Handwerkskammer Flensburg leistet enorm viel und muss dies auch tun. Denn diese Verantwortung trägt sie gegenüber ihren Mitgliedsbetrieben, die auf den Baustellen und in den Werkstätten jeden Tag an unserer aller Zukunft arbeiten."

Ein Jubiläum in Bildern

Eine visuelle Reise zurück zu den Wurzeln – die ersten Jahre der Handwerkskammer und ihre prägenden Orte im Fokus: